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Es geht auch beides!


Rückblickend frage ich mich, wie ich die Schulzeit überlebt habe.

Bildung und angehenden Profisport unter einen Hut zu kriegen, war alles andere als leicht für mich.

Ich stieß immer mal wieder an meine Grenzen.

Zum Glück habe ich so tolle Eltern, die mich vor der Abikalypse bewahrt haben.

sorry, aber so etwas wie einen guten Abispruch gibt es nicht!

*Achtung*


Sehr geehrte/r Leser/in,

Diesmal kommt die Warnung vorweg.

Falls Sie aus dem Süden stammen und der festen Überzeugung sind, dass ein Abitur aus Hamburg nichts wert sei und wir es im hohen Norden sowieso hinterher geschmissen bekommen, bitte ich Sie den Blog schon an dieser Stelle zu beenden.

Wir werden uns in diesem Leben nicht mehr sympathisch.

Mit freundlichen Grüßen

Ismet Akpinar

Montag, 6:30.

Höchstwahrscheinlich ein kalter, regnerischer und stürmischer Morgen in Hamburg.

Der nervige Wecker des iPhones reißt mich aus meinen Träumen und zwingt mich aus meinem warmen Bett.

Alles was ich jedoch will, sind weitere fünf Minuten zum schlummern um meinen glorreichen Crunchtime Moment zu erleben;

damit alle Klischees eines Basketball-Blogs erfüllt werden, träume ich als Jugendlicher ausschließlich vom spielentscheidenden letzten Wurf.

Da stand ich nun wieder.

Durch die Spieglung des glanzpolierten Parketts meiner Illusionen erkenne ich mich selbst.

Schweißgebadet.

Den Ball in der Hand.

Spalding.

Denn ganz im ernst - alles andere ist Quatsch!

-1

Noch 20 Sekunden zu spielen

Der Moment von dem ich schon immer geträumt habe.

Die Möglichkeit als Held auf Wolke 7 zu schweben.

In Zeitlupe dribbele ich mich durch das ganze Feld und an all meinen Gegenspielern vorbei.

Zwischen mir und meinem Ziel steht nun nichts und niemand mehr.

Ich setze -selbstverständlich- zum Dunking an.

Hebe ab und …


„Oğlum, (wer letztes Mal aufgepasst hat, weiß was das bedeutet) aufstehen!

Sonst kommst du noch zu spät.

Frühstück ist auch schon bereit.

Den Orangensaft habe ich dir gerade frisch gepresst.

Willst du einen Tee?

Hadi!”






 

Mama


 



Das Verhältnis zwischen meinen Eltern und mir war/ist toll, doch am Höhepunkt meiner Pubertät dachte ich nicht zu selten, dass ich schon erwachsen sei und ich ihre Hilfe nicht mehr benötige.

Schlimmer sogar.

Ich schämte mich für die Fürsorge.

Viel zu oft sagte ich Sätze wie:

„Du kannst mich hier rauslassen, den Rest gehe ich zu Fuß.”

„Gehe bitte nicht in die Halle, ich komme schon, wenn das Training zu Ende ist.”

Was für ein undankbarer Idiot ich doch war!

Zu dieser Zeit war ich der festen Überzeugung, dass ICH alles ganz schön gut meistere. Jedoch wurde mir wahnsinnig viel Verantwortung, Arbeit und Stress abgenommen.

Die Liste wäre ewig lang, wenn ich all das auflisten würde, was meine Eltern in den vergangen Jahren für mich gemacht haben, damit ich mich nur ums Wesentliche konzentrieren muss.

Training und Schule.




 

Eine Woche des 16 jährigen Ismet Akpinar im Schnelldurchlauf


Jeder Wochentag begann um 6:30, bzw, dank meiner geliebten Schlummerfunktion, um 6:35.

Nach dem verschlafenen Start und einem hektischen Frühstück, waren die ersten beiden Schulstunden immer Trainingseinheiten.

Kraft- oder Individualtraining.

Dieses Privileg war der Grund, warum ich vom renommierten Gymnasium Eppendorf auf die Sportschule Alter-Teichweg wechselte.

Ein Lieblingsfach hatte ich nicht.

Ich zählte die Minuten und wurde mit jeder verstrichenen Unterrichtsstunde glücklicher.

Mein Abi wollte ich nur als Plan B haben. Zu der Zeit war das einzige an das ich wirklich dachte- wann kann ich ins Training und wie werde ich besser. Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich die Schulzeit und das Wissen, welches vermittelt wird, nicht etwas ernster genommen habe.       

Zuhause war ich frühestens gegen 16:30. Wenigstens wartete immer ein warmes Gericht auf mich.


Mama.


Spätestens um 18:30 war Abfahrt.

Für meine Mutter war es selbstverständlich mich zum Training zu fahren.

Derzeit debütierte ich in der ProB für den Drittligisten SC Rist Wedel.

Wir brauchten mindestens eine Stunde um zur Steinberghalle zu gelangen, die Rush Hour war alles andere, als unser Freund.

20:00.

Endlich geht das Training los. Meine liebste Zeit des Tages. Einer der Gründe, warum ich Basketball so liebe ist, dass wenn ich auf dem Feld stehe ich an nicht anderes denke und ich all den Stress um mich herum ausblende.

Mein Leben abseits des Feldes hat wenig Einfluss auf mein Spiel, doch kann meine Leistung auf dem Parkett enormen Einfluss auf mein soziales Leben danach haben. Eine Schwäche an der ich bis heute noch arbeite.

22:00.

Trainingsende.

Ebenso selbstverständlich war es für meine Mutter, auf mich zu warten. Im Auto - so wie ich sie drum bat.

Ich Idiot!

Zuhause waren wir meistens gegen 23:00.

Dort war auch schon mein Abendessen bereit, welches Mama vorbereitet hatte bevor wir zum Training gefahren sind. Papa musste es nur kurz aufwärmen.

Meinen Vater sah ich in der Woche täglich nur für eine Stunde.

Die Zeit genossen wir jedoch sehr.

Punkt Mitternacht.

Ich bin fix und fertig.

Zeit schlafen zu gehen.

In 6:30h bzw 6:35h beginnt ein neuer Tag und der Trubel geht von vorne los…


Täglich kam ich somit auf maximal zwei Stunden Freizeit.

Produktiv nutzte ich diese Zeit nicht. Ich habe selten für Klausuren gelernt und Hausaufgaben habe ich kaum erledigt.

Ich wollte auch einfach mal chillen.

Dieses Tempo über mehrere Wochen und Monate durchzuziehen war alles andere als leicht.

Rückblickend frage ich mich, wie ich das physisch und psychisch so lange durchgestanden habe.

Oft werde ich gefragt, ob ich es nicht bereue, dass ich keine wirkliche Kindheit hatte, dass ich all meine Wochenenden mit Basketballspielen verbracht habe, dass ich nie auf Partys war und dass ich keine Zeit für eine Freundin hatte.

Nein!

Das ein oder andere mal kam ich zwar an meine körperlichen und mentalen Grenzen, aber ich war dennoch rundum glücklich. Alles was ich wirklich wollte war Basketball.

Meine Eltern haben all dies mit unglaublich viel Liebe und Freude gemacht.

Für sie war das, wie oft erwähnt, selbstverständlich, selbst wenn es heißt quer durch die Republik für ein Basketballspiel zu fahren.

Doch ist es das ganz bestimmt nicht.

Ich bin unfassbar dankbar, zwei solche Eltern zu haben.

Ohne so viel Hilfe ihrerseits wäre ich wahrscheinlich diesen langen kräftezehrenden Weg auch gegangen, jedoch wäre jener deutlich steiniger und meine Erfolgskurve läge bei weitem nicht so steil.

Wirklich zu schätzen gelernt habe ich all dies aber erst, nachdem ich durch war mit der Schule, von Zuhause auszog und endlich meine professionelle Karriere bei ALBA Berlin begann.


Doch dies ist eine Geschichte für sich selbst.

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